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ereits im Juli 2012 hat der „Rat der Europäischen Union“ sich intensiv mit dem Erbrecht EU beschäftigt. Dies betraf vor allem die Bereiche Zuständigkeit, Anwendung von welchem Recht, Vollstreckung sowie Anerkennung von Entscheidungen/Urkunden sowie die Einführung eines „Europäischen Nachlasszeugnisses (VO EU Nr. 650/2012)“. Auf diese Weise soll mehr Rechtssicherheit bei der Nachlassplanung ermöglicht werden. Dies ist vor allem unter dem Aspekt wichtig, dass immer mehr Menschen grenzüberschreitend vererben sowie erben.

Der Hintergrund zum neuen Erbrecht Europa

Lange Zeit galt Folgendes: Wie innerhalb der EU vererbt wird, hing insbesondere davon ab, welche Nachlassgerichte innerhalb der EU sich mit dem Erbfall beschäftigt haben. In einigen EU-Mitgliedstaaten war es wichtig, wo der Verstorbene seinen Aufenthaltsort oder Wohnsitz hatte. In anderen Ländern war dahingegen die Staatsangehörigkeit des Verstorbenen von Bedeutung. Und dann gab es noch Fall drei wie in den Niederlanden. Dort ist ein Mischsystem angewendet worden. Des Weiteren unterscheiden einige EU-Mitgliedstaaten zwischen beweglichem und unbeweglichem Erbe. So würde mit teurem Schmuck hinsichtlich des Erbrechts anders umgegangen als mit Immobilien.

Erbberechtigte trafen häufig auf Komplikationen, wenn sie dem jeweiligen Nachlassgericht im Ausland dokumentieren mussten, dass sie legitime Erben seien. Es existierte kein internationaler Erbschein. Doch da es pro Jahr zu über 400.000 internationalen Erbfällen in der Europäischen Union kommt, war eine Vereinheitlichung dringend erforderlich.

Erbrecht Europa im Detail

Eine einheitliche Rechtsanwendung in Europa soll das Vererben und Erben über die eigenen Landesgrenzen hinaus vereinfachen. Dies soll die Erbrechtsverordnung (ErbRVO) garantieren. Die Erbrechtsverordnung wird für alle Personen angewendet, deren Tod nach dem 16. August 2015 eintritt. Darüber hinaus geht diese Verordnung nur auf die Fragestellungen zur Rechtsnachfolge beim Erbfall ein. Es betrifft damit:

  • die Rechte und Pflichten der Erben
  • den Testamentsvollstrecker
  • die Vermächtnisnehmer
  • die Annahme und Ausschlagung des Erbes
  • die Teilung des Nachlasses
  • das Pflichtteilsrecht
Wichtig: In der ErbRVO werden nicht die vorweggenommene Erbfolge sowie das Gesellschafts- und Steuerrecht erfasst. Zudem hat die Verordnung bis auf Großbritannien, Dänemark und Irland in allen Mitgliedstaaten der EU Gültigkeit.

Wie ist das Recht anzuwenden?

Ein Beispiel: Herr Sanchez aus Spanien starb im Sommer 2016. Er wohnte die letzten zehn Jahre bei seiner neuen Partnerin in München. Nach der EU-Verordnung wurde nun das Erbrecht in Deutschland angewendet, da er dort seinen letzten „gewöhnlichen Aufenthalt“ hatte. Gerade in dieser Wortwahl liegt eine gewisse Unsicherheit. So wird nicht klar definiert, was ein „gewöhnlicher Aufenthalt“ ist. Stets werden sich diesbezüglich die individuellen Lebensumstände angeschaut. Dafür werden folgende Kriterien herangezogen:

  • Dauer und Regelmäßigkeit des Aufenthalts
  • Gründe und Umstände für den Aufenthalt
  • familiäre und soziale Lebensmittelpunkt
  • Staatsangehörigkeit
  • Ortsbezug der Vermögensgegenstände des Erblassers
Achtung: Besonders schwierig ist die Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts bei Personengruppen wie Wanderarbeitnehmern, digitalen Nomaden, Grenzgängern und Personen mit mehreren Wohnsitzen. Diese Probleme können Erblasser durch die Rechtswahl umgehen. Sie war bereits vor dem Sommer 2015 möglich. Der Erblasser würde in seinem Testament oder Erbvertrag aufführen, welches Erbrecht bei ihm Anwendung findet. So kann er sich für das Recht des Staates entscheiden, aus dem er kommt oder wo er wohnt.

Was ist mit Altfällen?

Die ErbRVO gewährt einen Bestandsschutz für jegliche Verfügungen von Todes wegen, die vor dem 17. August 2015 datiert sind. Hatte der Erblasser sein Testament auf der Basis seines Heimatrechts erstellt, so wird dieses Recht angewendet. Ein Beispiel verdeutlicht den Bestandsschutz. Frau A. hat vor dem 17. August 2015 ein Testament nach den Vorschriften des deutschen Erbrechts geschrieben. Sie verstarb ein Jahr später. Nun wird nach deutschem Recht vererbt, obgleich ihr letzter gewöhnlicher Aufenthalt in Italien war.

Welches Gericht ist zuständig?

Für jegliche Entscheidungen hinsichtlich der Erbschaft ist das Gericht des Staates zuständig, in dem der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Das Gericht trifft alle Entscheidungen über das hinterlassene Vermögen. Dabei ist nicht wichtig, zu welchem Land der EU es gehört. Die anderen Mitgliedstaaten erkennen die Gerichtsentscheidungen an. Ein Beispiel hierzu: Herr Sven W. besitzt die deutsche Staatsangehörigkeit. Er hat seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt jedoch in Spanien. Noch zu Lebzeiten hat er ein Testament aufgesetzt und sich für eine Rechtswahl zugunsten des deutschen Erbrechts entschieden. Nach seinem Tod streiten sich die Söhne von Sven W. über das Erbe, da einer der Söhne enterbt wurde und nun seinen Pflichtteil einfordert. Jetzt muss ein spanisches Gericht über diesen Pflichtteilsanspruch nach deutschem Erbrecht bestimmen.

Gerade hier tun sich oft Schwierigkeiten auf, denn das spanische Erbrecht unterscheidet sich vor allem bezüglich des Pflichtteilsrecht von dem deutschen Recht. Es ist daher denkbar, dass das zuständige spanische Gericht den Rechtsstreit an ein deutsches Gericht überträgt, sofern dafür eine der Parteien einen Antrag gestellt hat. Die Entscheidung des deutschen Gerichts wird dann von dem spanischen anerkannt.

Was hat es mit dem europäischen Nachlasszeugnis auf sich?

Die ErbRVO hat das sogenannte europäische Nachlasszeugnis eingeführt. Mithilfe von diesem soll sich die Nachlassabwicklung vereinfachen. Hinsichtlich seiner Funktion ähnelt es dem Erbschein. Es beweist nach Art. 63 EU-ErbVO:

  • welche Rechtsstellung ein Erbe oder Vermächtnisnehmer hat
  • die Zuweisung eines genau definierten Vermögenswerts
  • das Recht, der im Zeugnis genannten Person, zur Vollstreckung des Testaments
  • das Recht zur Verwaltung des Nachlasses.

Grundsätzlich wird das europäische Nachlasszeugnis nur erteilt, wenn es sich um einen Erbfall mit einem internationalen Bezug handelt. Es hat jedoch auch im Inland seine Gültigkeit, sodass innerstaatliche Erbnachweise – wie in Deutschland der Erbschein – unnötig werden.

Tipps für Erblasser mit grenzüberschreitendem Bezug

Sie leben im europäischen Ausland und möchten Ihren Nachlass gut organisiert wissen? Dann sind hier ein paar hilfreiche Tipps:

  1. Tipp: Erstellen Sie ein Testament oder einen Erbvertrag. Nur so können Sie eine Rechtswahl treffen.
  2. Tipp: Legen Sie fest, welches Recht letztlich für Ihre „Rechtsnachfolge von Todes wegen“ greifen soll.
  3. Tipp: Konsultieren Sie einen Rechtsanwalt für eine individuelle Beratung.

Erben und Vererben führen häufig zu Streit. Insbesondere bei komplizierten Familienkonstellationen ist es ratsam, ein Testament zu schreiben. Wer im Ausland lebt, sollte dies generell tun. Dies vereinfacht den Umgang mit dem Nachlass, wodurch weniger Erbstreitigkeiten entstehen.

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Publiziert am 
Mar 27, 2020
 in Kategorie:
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