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aben Sie sich schon einmal gefragt, wie Erben überhaupt erfahren, dass sie etwas geerbt haben? Am folgenden Beispiel lässt sich ablesen, wie schwierig dies sein kann: Rosemarie ist 99 Jahre alt geworden, dann verstarb sie. Sie hatte ihren Mann und ihre Geschwister überlebt. Ebenso wie sie selbst hatte keiner von ihnen Kinder bekommen.​

Bereits seit vielen Jahren wohnte sie im Altersheim, ohne jemals von einem Verwandten besucht zu werden. Als Rosemarie starb, hinterließ sie ein kleines Vermögen auf dem Konto sowie Immobilien in München. Sofort kam die Frage auf: Wer tritt ihr Erbe an? Wer ist erbberechtigt. Ein Testament hatte sie nicht gemacht. Im Folgenden erfahren Sie alles Wichtige rund um die Erbenermittlung.

Kein Testament. Erben unbekannt. Was nun?

Nur etwa 30 % aller Bundesbürger machen ein Testament oder einen Erbvertrag. Für alle anderen 70 % tritt bei Eintritt des Todes nach dem Erbrecht die gesetzliche Erbfolge in Kraft. Während bei einem Testament die Erben namentlichen aufgeführt sind, ist dies bei der gesetzlichen Erbfolge natürlich nicht so. Insbesondere wenn wie bei Rosemarie keine nahen Angehörigen mehr leben oder Familien zerstritten sind, müssen nun die Erbberechtigten ermittelt werden. Dabei kann es sich um entfernte Verwandte handeln, die vom Tod des Erblassers gar nichts erfahren haben. Sie hatten mit ihm über Jahre hinweg keinen Kontakt. Nun muss das Amt eine Erbenermittlung einleiten. Diese ist erforderlich, sobald der Nachlass die Bestattungskosten übersteigt.

Wie wird die Erbenermittlung eingeleitet?

Verantwortlich für die Ermittlung der Erben ist das Nachlassgericht oder ein etwaiger Nachlasspfleger. Schon ermittelte Erben oder etwaiges Betreuungspersonal des Erblassers müssen dafür keinen gesonderten Antrag stellen. Das Nachlassgericht oder der Nachlasspfleger agieren im Rahmen ihrer Mittel, um die Erben zu finden. Ein professioneller Erbenermittler wird nicht herangezogen. Jedoch gibt es sie tatsächlich: die Erbenermittler. Sie arbeiten für gewöhnlich ohne einen Auftrag, sondern erfahren über Zeitungen, die sozialen Medien und öffentlichen Bekanntmachungen über den Erbenaufruf. Daraufhin fangen sie an, selbst nachzuforschen. Finden sie etwas heraus, bieten sie ihre Leistungen den jeweiligen Nachlasspflegern an. Als Entgelt erhalten sie einen Prozentsatz vom Erbe.

Welche Ausbildung haben Erbenermittler? Sind es Detektive?

Es gibt keine gesonderte Ausbildung zum Erbenermittler. Auch eine Berufsordnung dafür ist nicht vorhanden. Die Berufsbezeichnung selbst ist darüber hinaus nicht geschützt und fixe Gebührenordnungen existieren nicht. Stattdessen handelt es sich bei Erbenermittlern um Juristen oder Historiker. Bundesweit arbeiten nur wenige duzend Personen als Erbenermittler. Neben ihnen können auch Ahnenforscher für Nachlassfälle tätig werden.

Wie muss ich mir die Erbensuche vorstellen?

Das Personal vom Nachlassgericht oder der Nachlasspfleger muss ein wenig wie ein Detektiv vorgehen, wenn er nach Erbberechtigten sucht. Es ist eine aufwendige Aufgabe, im Rahmen derer zahllose Register überprüft werden und zahlreiche Ehe-, Scheidungs- und Geburtsurkunden gecheckt werden. Auch ein Blick in die Wohnsitzmeldungen und in den Familienstammbaum ist von Bedeutung. Sogar ein Gespräch mit Freunden oder Bekannten des Verstorbenen kann notwendig sein. Dies wurde auch bei Rosemarie gemacht, aber daraus ließen sich keine neuen Erkenntnisse ziehen. Deshalb griff das Nachlassgericht auf eine weitere Möglichkeit der Erbenermittlung zurück: die öffentlichen Medien. Es schaltet Anzeigen und stellt je nach Einzelfall Suchanfragen im Ausland.

Öffentliche Suche nach Erben: Wie lange haben sie Zeit, sich auf den Erbenaufruf zu melden?

Selbstverständlich kann das Nachlassgericht nicht unendlich lange den Erbenaufruf durchführen. In der Regel haben die Erbberechtigten sechs Wochen Zeit, sich bei dem Gericht zu melden und ihre Erbansprüche geltend zu machen. Nach der Frist von sechs Wochen werden die Erbberechtigten allerdings nicht automatisch vom Erbe ausgeschlossen. Sie können zu einem späteren Zeitpunkt ebenfalls Anspruch auf den Nachlass erheben.

Wie lange dauert eine Ermittlung der Erben?

Hierauf gibt es keine Pauschantwort. Auch existieren keine Fristen, an die das Nachlassgericht oder der Nachlassverwalter gebunden wäre. Aus diesem Grund kann es sein, dass nach Erben über viele Jahre hinweg ermittelt wird. Nur wenn alle Mittel ausgeschöpft wurden, darf die Ermittlung eingestellt werden. Existiert ein Testament oder ein Erbvertrag, gestaltet sich die Suche zumeist kürzer. Immerhin sind dann die Erben bekannt.

Die Frage nach der Ermittlungsdauer führt bei einigen Betroffenen zu einer weiteren Frage: Was passiert eigentlich mit dem Nachlass, wenn einige Erben bekannt sind, aber nach anderen noch gesucht wird? Ist dies der Fall, müssen die bereits vorhandenen Erbberechtigten nicht über viele Jahre oder Monate hinweg auf ihr Erbe warten. Sie können einen Erbschein beantragen. Hierbei handelt es sich um einen sogenannten Teilerbschein, der über den zustehenden Erbteil ausgestellt wird. Doch nicht alles kann sofort ausgezahlt werden: Nicht teilbare Hinterlassenschaften wie Fahrzeuge, Unternehmen und Immobilien dürfen erst dann abschließend übertragen werden, wenn alle Erbberechtigten bekannt sind. Dies führt nicht selten im Nachhinein zum Streit. Anders sieht es bei teilbaren Nachlassgegenständen wie Geld oder Aktien aus. Sie können bereits vor der abschließenden Erbenermittlung zur Auszahlung gebracht werden.

Kostet die Erbenermittlung etwas?

Selbstverständlich entstehen bei der Ermittlung von Erben Kosten. Wie hoch diese sind, hängt von dem Einzelfall ab. Einige Suchen nach Erbberechtigten sind intensiver und aufwendiger, während andere schnell zu einem Resultat führen. Die anfallenden Kosten können aus dem Erbe entrichtet werden. Wichtig ist zu wissen, dass niemand dazu verpflichtet ist, einen Erbenermittler oder einen Privatdetektiv zu engagieren. Nur wenn er mit der betreffenden Person einen rechtswirksamen Vergütungsvertrag hat, kann er für seine Leistungen eine Bezahlung verlangen. Es besteht jedoch kein gesetzlicher Anspruch.

Beachtenswert ist, dass die Höhe der Vergütung für die Erbenermittler in der Regel bis zu 30 % des Nachlasswertes beträgt. Dieser Betrag wird direkt aus dem Erbe entnommen. Verlangt die Erbenermittlung einen höheren Anteil, geht sie die Gefahr ein, dass ihre Forderung bei einem Rechtsstreit nach § 138 BGB als sittenwidrig erachtet wird.

Ein Erbenermittler hat mich kontaktiert. Was passiert jetzt?

Sie sollten die Ruhe bewahren und nicht übereilt handeln. Es ist wichtig, den Vertrag im Detail zu checken. Auf keinen Fall dürfen Sie in Vorkasse gehen. Ein Indiz auf die Seriosität des Schreibens ist der Absender selbst. Ein Großteil der Erbenermittler ist im Verband Deutscher Erbenermittler. Wenn Sie sich nicht sicher sind, ob das Schreiben echt ist, können Sie sich dort erkunden. Auch eine Nachfrage bei der Verbraucherzentrale oder die Konsultierung eines Rechtsanwaltes kann sinnvoll sein. Vielleicht möchten Sie das Erbe ausschlagen, weil es mit zu vielen Verpflichtungen verbunden wäre. Überprüfen Sie den Sachverhalt eingehend und treffen Sie dann eine Entscheidung.

Was passiert, wenn sich keine Erben ermitteln lassen?

Gibt es laut gesetzlicher Erbfolge keine Erbberechtigten, erhält letztlich der Staat den Nachlass. Von diesem entrichtet der Staat die Beerdigung und begleicht etwaige Schulden. Übersteigen die finanziellen Verbindlichkeiten des Erblassers den Nachlass, findet eine sogenannte Sozialbestattung auf Landes- oder Staatskasse statt. Stehen Schulden aus, die sich nicht mit dem Nachlass des Erblassers begleichen lassen, gehen diese Gläubiger leer aus. Der Staat haftet nicht dafür. Und noch etwas ist beachtenswert: Während reguläre Erbberechtigte ein Erbe ausschlagen können, kann dies der Staat nicht tun. Im Fall von Rosemarie ließen sich keine Erbberechtigten bestimmen – trotz aufwendiger langer Suche. Der Staat erhielt damit ihre Immobilien in München und all das andere Vermögen.

Gestorben ohne Erben, Testament und nennenswertem Vermögen: Was passiert mit Sachwerten wie Bildern?

Wir nehmen an, es existieren keine Erben und kein Testament. Die Gemeinde entrichtet ein anonymes Begräbnis auf Staatskosten, da der Nachlass die Beerdigungskosten nicht übersteigt. Der Verstorbene besaß einige wenige Sachwerte, zu denen gemalte Bilder gehörten. Diese Wertgegenstände erhält dann die Zollauktion. Wie lange ihre Bearbeitungszeit beträgt, hängt vom Einzelfall ab. Wer beispielsweise als Nachbar Kenntnis von den Bildern hat und diese gerne kaufen würde, kann sich an die Finanzdirektion des Landes wenden, welche letztlich den Verkaufserlös an den Staat weitergibt.

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Photo by Joseph Akbrud on Unsplash

Publiziert am 
Oct 15, 2018
 in Kategorie:
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