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er verwitwete Erwin hat drei Kinder, von denen allerdings die Tochter bereits vor Jahren gestorben ist. Sie hat einen Sohn und eine Tochter hinterlassen, die demnach Erwins Enkelkinder sind. Mit 80 Jahren starb nun Erwin friedlich im Schlaf, ohne vorab ein Testament aufgesetzt zu haben.

Auf die anfängliche Trauer folgte alsbald die Frage, wer denn nun Vaters Immobilien in München, sein Vermögen auf dem Konto und den Hausrat erben würde. Aufgrund von Unkenntnis über das Erbrecht brach ein Erbstreit aus. Ein Blick auf die gesetzliche Erbfolge hätte den Beteiligten Klarheit verschafft. Sie greift, wenn es kein Testament gibt.

Gesetzliche Erbfolge regelt den Nachlass ohne Testament

Es mag erstaunen, aber nach aktuellen Umfragen machen lediglich 30 % aller Bundesbürger ein Testament. Anstelle nach den eigenen Wünschen den letzten Willen aufzusetzen, vertrauen sie – unbewusst oder bewusst – auf die gesetzliche Erbfolge. Sie ist nach den §§ 1924 – 1934 BGB geregelt. Danach richtet sich die Erbfolge nach dem Verwandtschaftsgrad und der Art von Partnerschaft des Erblassers. Im Fall von Erwin bedeutet dies: Seine beiden Söhne erben als direkte Abkömmlinge jeweils ein Drittel des Vermögens. Das verbleibende Drittel hätte eigentlich der Tochter zugestanden. Da diese bereits tot ist, wird es auf ihre beiden Kinder aufgeteilt. Jedes Enkelkind erhält somit ein Sechstel des Erbes. Doch was wäre gewesen, wenn Erwin noch adoptierte und uneheliche Kinder gehabt hätte?

Können uneheliche und adoptierte Kinder erben?

Besonders groß ist der Erbstreit, wenn es uneheliche oder adoptierte Kinder gibt. Teilweise ist von ihrer Existenz gar nichts bekannt. Doch all dies kann nichts daran ändern, dass diese zur Gruppe der direkten Abkömmlinge zählen können. Hätte Erwin ein uneheliches Kind gehabt, hätte dieses ebenso wie die anderen Kinder geerbt. Wäre dies bereits gestorben, hätten auch seine direkten Nachkommen Anspruch auf einen Teil des Erbes. In der Vergangenheit war dies anders geregelt, weswegen einige uneheliche Kinder in den letzten Jahrzehnten leer ausgingen.

Knifflig kann die Erbrechtsfrage bei adoptierten Kindern sein. Wurden sie als Minderjährige adoptiert, gelten sie als »vollwertiges« Kind der Adoptiveltern vor dem Gesetz. Allerdings verlieren sie dadurch die Erbansprüche gegenüber den leiblichen Eltern sowie deren Vorfahren. In seltenen Fällen ist das Adoptivkind bei Adoption bereits volljährig. Dies ändert die Sachlage: Es ist nun Erbberechtigter der Adoptiveltern, jedoch nicht von deren Vorfahren. Zugleich kann es seine leiblichen Eltern beerben.

Kinderlose Erblasser: Wer erbt nun?

Wenn Erwin keine Kinder gehabt hätte, dürften sich nun die »gesetzlichen Erben der zweiten Ordnung« über den Nachlass freuen. Dies sind die Eltern des Toten und wiederum deren Abkömmlinge. Dazu zählen die Geschwister des Toten sowie deren Kinder. Hätte Erwin beispielsweise einen Bruder gehabt, hätte dieser geerbt. Ist der Bruder tot, würden seine Kinder erben. Ein weiteres Beispiel zeigt, wie verzwickt die gesetzliche Erbfolge sein kann: Angenommen Erwin wäre kinderlos geblieben. Er hätte aber einen Bruder und zwei Schwestern gehabt, die beide allerdings bereits verstorben wären. Die eine tote Schwester hätte drei Kinder, die andere tote Schwester hätte ein Kind. So hätten sich die drei Kinder das theoretische Erbe ihrer toten Mutter geteilt. Das eine Kind der anderen toten Schwester hingegen dürfte sich über den Erbanteil ihrer toten Mutter freuen. Dieser wäre ebenso hoch, wie die drei Anteile der drei Cousinen zusammen.

Was erben Ehepartner, wenn es kein Testament gibt?

Ehepartner nehmen eine Sonderstellung ein. Die Höhe ihres Erbes bemisst sich vor allem daran, ob der Erblasser Kinder hatte oder nicht. Einfluss nimmt darauf auch, ob es sich bei der Ehe um eine Zugewinngemeinschaft, Gütertrennung oder Gütergemeinschaft handelte. Gibt es keine Kinder, Geschwister, Eltern sowie Großeltern, erbt der Ehepartner alleine. Ansonsten ist der Ehegatte Miterbe und teilt sich den Nachlass mit nahen Verwandten. Um dies zu vermeiden, kann es ratsam sein, ein Testament aufzusetzen.

Hätte Erwins Frau noch gelebt, hätte sie nur einen Teil des Erbes erhalten und die Kinder des Paares den Rest. Dies kann vor allem zu Problemen führen, wenn selbstgenutzte Immobilien zur Erbmasse gehören. Die Kinder könnten auf ihren geldlichen Anteil an den Häusern bestehen. Könnte die Mutter das Geld für das Haus in München nicht aus ihrem Vermögen aufbringen, könnte ein Verkauf des eigenen Wohnhauses drohen.

Rangfolge zwischen den Erben aus verschiedenen Erbordnungen: Wie ist das geregelt?

Es passiert nicht selten, dass ein Erblasser Erben unterschiedlicher Erbordnungen hinterlässt. Wer erbt jetzt? Erben einer niedrigeren Ordnung erhalten die Erbschaft, während die Erben einer höheren Ordnung leer ausgehen. Hierbei ist unerheblich, von der Anzahl Erben einer Ordnung, die wegen der gesetzlichen Erbfolge die Erbschaft entgegennehmen können.

All das klingt sehr abstrakt. Ein Beispiel verdeutlicht diese Regelung. Adrian ist verwitwet und seine Kinder sind bereits gestorben. Nur noch ein Enkel lebt. Weitere direkte Abkömmlinge sind nicht vorhanden. Neben dem Enkel gehören zum Verwandtenkreis von Adrian noch sein Vater und vier Geschwister. Trotz der weiteren Verwandten erbt nur das Enkelkind. Es ist der Alleinerbe von Adrian, da er zu der Gruppe der Erben der ersten Ordnung gehört. Damit schließt er die Erben der zweiten Ordnung von der Erbschaft aus.

Erben innerhalb einer Ordnung: Wie gestaltet sich die Reihenfolge?

Diese Frage ist ein wenig komplex, denn hierbei kommt es darauf an, ob es sich um Erben der ersten, zweiten, dritten und vierten Ordnung handelt. Nach diesem Prinzip teilt das Erbrecht die Erben ein. Ein kurzer Überblick verdeutlicht dies:

Erben der ersten Ordnung: direkte Abkömmlinge des Erblassers wie die eigenen Kinder und deren Kinder.

Erben der zweiten Ordnung: die Eltern des Erblassers, seine Geschwister sowie die Neffen und Nichten.

Erben der dritten Ordnung: Großeltern und die Onkel und Tanten des Erblassers.

Erben der vierten Ordnung: Urgroßeltern sowie Großonkel und Großtanten.

Im Folgenden erfahren Sie, wie sich die Rangfolge beim Erben gestaltet.

Die erste Ordnung: Hier greift das Stammesprinzip. Jedes Kind, welches von dem Erblasser abstammt, stellt einen Stamm dar. Alle Stämme erben zu gleichen Teilen. Sollte beispielsweise das Kind eines Erblasser bereits verstorben sein, es aber über eigene Kinder verfügen, erben diese zu gleichen Teilen.

Ein Beispiel: Sybille ist Witwe. Sie hat zwei Kinder: Tom und Sandra. Sandra ist bereits tot, hat aber drei Kinder hinterlassen. Die drei Enkelkinder und Tom bilden je einen Stamm. Stirbt Sybille ohne Testament, erhalten der Stamm Tom und der Stamm Enkelkinder je 50 % des Erbes. Die drei Enkelkinder teilen sich daher die 50 %. Hätte Tom selbst Kinder, würden diese nichts erben, sofern es kein Testament gibt.

Zweite und dritte Ordnung: Hier wird das Erbrecht nach Linien umgesetzt. Die Eltern eines Erblassers erben zu gleichen Teilen. Sie schließen ihre eigenen Abkömmlinge von der Erbfolge aus. Damit ähnelt dieses Prinzip dem Prinzip der ersten Ordnung. Sollte ein Elternteil bereits verstorben sein, erhalten seine direkten Abkömmlinge wie Kinder und Enkelkinder seinen Erbteil. Sollte kein Verwandter der zweiten Ordnung vorhanden sein, erben die Erben der dritten Ordnung. In diesem Fall erben die vier Großeltern je zu gleichen Quoten. Ist ein Großelternteil schon verstorben, treten für sie ihre Abkömmlinge ein.

Vierte Ordnung: Jetzt gilt das Gradualsystem. Das besagt, dass ein noch lebender Urgroßelternteil alle übrigen Verwandten ausschließt. Er schließt damit die direkten Abkömmlinge der Urgroßelternteile aus. Das gleiche Prinzip trifft ebenfalls für noch höhere Ordnungen in Kraft. In der Praxis sind diese Ordnungen allerdings kaum relevant. Das begründet sich darin, dass ein bei Erbfall vorhandener Ehegatte Erben dritter (mit Ausnahme der Großeltern), vierter und höherer Ordnungen komplett von der Erbfolge ausschließen.

Können eingetragene Lebenspartner und Partner ohne Trauschein erben?

Eingetragene Lebenspartner können ebenso erbberechtigt sein wie Ehepartner. Das Gesetz macht zwischen ihnen keinen Unterschied. Mit Blutsverwandten des verstorbenen Partners müssen sie den Nachlass teilen, sofern kein Testament vorhanden ist. Ganz anders ist die Sachlage bei Paaren, die ohne Trauschein zusammenleben. Sie sind vor dem Gesetz keine Lebensgemeinschaft und keine Ehe, weswegen diese Partner nichts erben. Um sie abzusichern, sollte ein Testament oder ein Erbvertrag aufgesetzt werden.

Kann trotz Scheidung der Ex-Partner erben?

Mit der Scheidung hat der Ehepartner das Recht auf ein Erbe verloren. Ist die Scheidung noch nicht rechtkräftig, hängt es vom Einzelfall ab, ob der Noch-Ehepartner etwas erbt oder nicht. Allerdings gibt es ein paar wenige Ausnahmefälle, die dem geschiedenen Partner doch noch einen Anteil an dem Nachlass des Ex-Partners ermöglichen. Ein Beispiel verdeutlicht den Sachverhalt: Ein geschiedener Vater stirbt. Das gemeinsame Kind mit seiner Ex-Frau erbt zunächst sein Vermögen. Dann verstirbt dieses ohne Testament selbst, wodurch die gesetzliche Erbfolge angewendet wird und seine Mutter und damit die Ex-Frau alles erbt.

Hat die gesetzliche Erbfolge Nachteile?

Die gesetzliche Erbfolge findet in Deutschland häufig Anwendung, denn längst nicht alle Erblasser haben einen Erbvertrag unterschrieben oder ein Testament hinterlegt. Diese Regelung kann den Wünschen und Vorstellungen des Verstorbenen entsprechen, aber manchmal eben auch nicht. Damit überlässt es der Erblasser dem Zufall, wer was erbt. Es zählt, wer zum Zeitpunkt des Erbfalls noch lebt. Das kann der Erblasser in der Regel nicht vorhersehen.

Der Erblasser sollte sich daher vorab gut überlegen, ob er nicht lieber ein Testament oder einen Erbvertrag aufsetzt. Warum? So kann er nach seinen Wünschen bestimmen, wer was erhält. Ein Beispiel: Franz teilt sich mit seiner Frau eine Immobilie in München. Kinder haben sie keine. Macht er kein Testament, müsste seine Frau im Erbfall die Immobilie und das weitere Vermögen mit Erben der zweiten Ordnung oder den Großeltern teilen. Das ist oft nicht gewünscht. Testament oder Erbvertrag lösen das Problem.

Erbschaften mit Geld- und Immobilienvermögen: Wie erfolgt die Aufteilung?

Bevor sich die Erben an dem Nachlass bedienen dürfen, muss eine Aufstellung aller Vermögenswerte erfolgen. Dazu gehört der Hausrat ebenso wie Wertpapiere, das Vermögen auf der Bank, Häuser, Grundstücke, Wohnungen und andere Vermögenswerte. Tritt die gesetzliche Erbfolge in Kraft, wird gemäß der dortigen Bestimmungen das gesamte Vermögen auf die Erbberechtigten verteilt. Sollte ein Erbberechtigter das Erbe ausschlagen, geht sein Anteil auf die übrigen Erben über. Besonders schwierig kann es bei Sachgegenständen, Grundstücken und Häusern werden. Es liegt an der Erbengemeinschaft, wie mit diesen Dingen beim Nachlass umgegangen wird. Im Zweifelsfall muss alles veräußert werden, damit jeder seinen Anteil erhält, der ihm rechtlich zusteht.

Wie erfahre ich, was ich geerbt habe?

Gibt es keinen letzten Willen, begründet sich die Erbenstellung bereits mit der Information über den Tod des Erblassers. Insbesondere wenn es sich um nahe Verwandte handelt, geht das Gericht davon aus, dass die Erbberechtigten über sein Ableben Bescheid wissen. Keinerlei Maßnahme ist erforderlich, um erbberechtigt zu werden. Gemäß der gesetzlichen Erbfolge hat jemand Anspruch aufs Erbe oder nicht. Wie hoch der Nachlass ist, müssen die Erben selbstständig in Erfahrung bringen. Dafür kann es notwendig sein, einen Antrag auf einen Erbschein zu stellen. Dies ist ein kostenpflichtiger Legitimationsnachweis, den Banken, staatliche Stellen und Versicherungen häufig einfordern. Nur Erbberechtigte erhalten einen Erbschein.

Was passiert, wenn es keine Erben gibt?

Sollten die gesetzlichen Erbberechtigten nicht bekannt sein, sucht das Nachlassgericht oder ein Nachlasspfleger nach erbberechtigten Verwandten. Dies geschieht beispielsweise durch eine öffentliche Bekanntmachung in den Medien. Zudem gibt es professionelle Erbenermittler, die den Behörden gegen Bezahlung im Erfolgsfall dabei helfen, Erbberechtigte zu finden. Sollte es keine gesetzlichen Erben geben, erhält nach dem deutschen Erbrecht der Staat den Nachlass. Dies ist auch der Fall, sollten alle Erbberechtigten einen Antrag auf Erbausschlagung gestellt haben.

Die hier angebotenen Informationen ersetzen keine Rechtsberatung. Bitte wenden Sie sich an einen qualifizierten Anwalt, Fachanwalt oder Notar, um Ihre eigene Situation abzuklären.

Stand Januar 2021

Publiziert am 
Sep 22, 2018
 in Kategorie:
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