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s passiert gar nicht so selten: Ein deutscher Staatsbürger verstirbt im Ausland. Greift nun das Erbrecht dort oder findet das deutsche Erbrecht Anwendung? Handelte es sich lediglich um einen kurzen Aufenthalt im Ausland, werden die Erbschaftsangelegenheiten so behandelt, als wäre der Erblasser in Deutschland verstorben.​

erAnders sieht es jedoch aus, wenn der Deutsche im fremden Land seine Wahlheimat gefunden hat. Dazu können im Ausland arbeitende Personen ebenso gehören wie Rentner, die ihren Lebensabend außerhalb der Bundesrepublik verbringen möchten. Bevor auf die Einzelheiten eingegangen wird, eines vorweg: Eine Erbschaft mit Auslandsbezug ist stets aufwendig und kann für viele Unsicherheiten sowie zeitliche Verzögerungen sorgen. Aus diesem Grund ist es unerlässlich, einen kompetenten Anwalt zurate zuziehen.

Tod im europäischen Ausland: Ist der Wohnsitz das entscheidende Kriterium?

Vor August 2015 konnte der Wohnsitz oder die Staatsangehörigkeit maßgebend dafür sein, welches Erbrecht bei einem Tod im Ausland Anwendung findet. Welches der beiden Kriterien herangezogen worden ist, hängte von dem jeweiligen Land und teilweise sogar von dem Erbe ab. Seit August 2015 gibt es jedoch die EU-Erbrechtsverordnung,  die Verordnung (EU) Nr. 650/2012, die eigentlich für eine Vereinfachung der Nachlassregelungen sorgen sollte. Sie brachte eine einheitliche Regelung für grenzüberschreitende Erbfälle in der EU mit, was dennoch immer wieder zu Streitfällen führt. Die neue EU-Erbrechtsverordnung besagt, dass für das komplette Erbe die Rechtsordnung des jeweiligen Staates zählt, in dem der Verstorbene seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Der Wohnsitz bestimmt damit die Zuständigkeit der Gerichte und Ämter.

Die ersten Unsicherheiten entstehen, sobald beispielsweise ein deutscher Rentner nur in den kalten Monaten des Jahres in Südspanien lebt. Was passiert mit seinem Wohnhaus in München und was mit seiner Wohnung in Granada, wenn er in Südspanien stirbt? Bei Fällen wie diesen muss sich genau angesehen werden, wo der Tote seinen Lebensmittelpunkt hatte. Lag dieser in Spanien oder in Deutschland? Zweifelsohne können sich hier Streitfälle entwickeln, die die neue EU-Erbrechtsverordnung nicht vermeiden konnte.

Ist es möglich, gezielt ein Erbrecht zu wählen?

Es ist deutschen Staatsbürgern durchaus möglich, sich gezielt fürs deutsche Erbrecht zu entscheiden. Auch dies besagt die EU-Verordnung. Demnach kann der Erblasser testamentarisch anordnen, dass sein Nachlass nach dem deutschen Erbrecht behandelt werden muss. Wenn er kein Testament aufsetzt oder keine Anordnung bezüglich des deutschen Erbrechts in seinem letzten Willen vermerkt, tritt das Erbrecht seiner Wahlheimat in Kraft. Ob das für ihn oder die Erben negativ oder positiv ist, hängt entscheidend von der Perspektive der Betroffenen und dem jeweiligen Land ab. Auf jeden Fall sollte sich der Erblasser vorab gut informieren, was mit seinem Erbe passiert, wenn er in der Wahlheimat stirbt und kein deutsches Erbrecht Anwendung findet.

Wie sieht das Erbrecht in anderen Ländern aus?

In EU-Ländern wird das jeweilige Erbrecht des Landes herangezogen, wenn nichts anderes vermerkt ist. Außerhalb der EU greift das Erbrecht in der Wahlheimat. Wie die Gesetze zum Erben dort aussehen, kann in Detail nicht festgehalten werden. Sie unterscheiden sich von Land zu Land erheblich. Folgende Beispiele sollen nur aufzeigen, wie groß die Unterschiede zum deutschen Erbrecht sein können:

  • Das Berliner Testament – erwähnt im § 2269 BGB – wird gar nicht oder nur in Teilen von einigen Ländern anerkannt. Dieses Testament ermöglicht, dass der noch lebende Ehepartner vorerst Alleinerbe wird und dann nach seinem Tod erst die Kinder erben.
  • In vielen Bundesstaaten in den USA gibt es keinen Pflichtteil. In diesen Staaten könnte ein Erblasser selbst enge Angehörige komplett enterben. In Deutschland ist dies aufgrund der Erlassungen im § 2303 BGB nur in Härtefällen möglich.
  • Erbschafts- und Schenkungssteuer können im Ausland deutlich anders sein. Auch eine Doppelbesteuerung ist möglich. In Deutschland sind sie im ErbStG geregelt.
  • Der in Deutschland so hilfreiche Erbschein wird im Ausland kaum akzeptiert. Fachleute raten daher Erblassern dazu, eine gültige Vollmacht über den Tod hinaus noch zu Lebzeiten zu erstellen.
  • Einige Länder – so Italien und Frankreich – kennen keinen Erbverzicht bei Pflichtteilsberechtigten, der beispielsweise zu Lebzeiten durch eine vorzeitige Abfindung vereinbart worden ist. Im deutschen Erbrecht ist dieser möglich, wie im § 2346 Abs. 2 BGB aufgeführt ist.

Diese wenigen Beispiele zeigen, dass es sehr wichtig ist, sich vorab mit dem Erbrecht vor Ort zu beschäftigen. Dies beugt einem vom Erblasser ungewollten Umgang mit seinem Erbe bestmöglich vor.

Wie sieht es mit der Erbschaftssteuer bei Tod im Ausland aus?

Nicht nur der Umgang mit dem Erbe kann sich bei einem Versterben im Ausland als kompliziert erweisen, sondern auch die Besteuerung des Erbes. Eine unbeschränkte Erbschaftssteuerpflicht in Deutschland ist gegeben, sobald der Erblasser oder der Erbe ihren Wohnsitz oder ihren Lebensmittelpunkt in Deutschland haben. Der gesamte und damit weltweite Vermögensanfall unterliegt in diesem Fall der deutschen Erbschaftssteuer. Kurzum: Wer in Deutschland lebt und Immobilien in Spanien und Deutschland besitzt, dessen Erben sind über ihren Freibetrag hinaus für diese Werte nach der deutschen Gesetzgebung steuerpflichtig. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass es bereits ausreicht, dass der Erblasser oder der Erbe Inländer ist. Also: Sollte der Erblasser im Ausland leben, aber der Erbe in Deutschland, kann die deutsche Steuerpflicht greifen. Wenn der Erbe im Ausland lebt, aber der Erblasser in Deutschland, gilt die gleiche Regelung. Darüber hinaus kann es sein, dass der Wohnsitzstaat des Erben Erbschaftssteuer nach dem nationalen Recht erhebt. Doppelbesteuerungsabkommen im Bereich der Erbschaftssteuer gibt es zwar nur selten, aber auf etwaige Erben könnte eine Doppelbesteuerung zukommen. Hier zählt demnach, vorausschauend zu handeln. Lebt eine Rentnerin halbjährig bei ihrer Tochter im Ausland, kann es ratsamer sein, wenn die Rentnerin nach dem ausländischen Erbrecht vererbt, um ihrer Tochter eine doppelte Besteuerung zu ersparen. Der Einzelfall entscheidet, weswegen das Konsultieren eines Anwalts unerlässlich ist.

Achtung: Es besteht eine 5-Jahres-Frist

Wohnt der Erblasser in Ausland, kann sein Wohnsitz Einfluss auf die Erbschaftssteuerpflicht nehmen. So werden deutsche Staatsangehörige noch in den ersten fünf Jahren nach ihrem Wegzug aus Deutschland steuerrechtlich als Inländer behandelt. Und für Inländer besteht eine unbeschränkte deutsche Erbschaftssteuerpflicht, ganz gleich, wo der Erblasser hingezogen ist. Sobald die fünf Jahre überschritten sind, kann eine beschränkte Steuerpflicht greifen. Zu einer Besteuerung kommt es dann nur noch bei dem Inlandvermögen. Hat der Erblasser mit Wohnsitz im Ausland Immobilien in München und Rom, werden nur die Immobilien in München nach dem deutschen Erbschaftssteuerrecht besteuert. Gleiches zählt für deutsche Beteiligungen an deutschen Personen- oder Kapitalgesellschaften sowie sonstiges deutsches Grundvermögen. Leider muss in diesem Zusammenhang auch betont werden, dass in diesem Fall die gesetzlichen Freibeträge in Deutschland sehr gering sind. Bei Klagen hat der Europäische Gerichtshof in der Vergangenheit mehrfach entschieden, dass in diesen Fällen dieselben Freibeträge heranzuziehen seien, wie sie bei einer unbeschränkten Steuerpflicht gegeben sind. Dabei sei nicht von Bedeutung, ob die Erben innerhalb oder außerhalb der EU leben.

Erbrecht: Der Einzelfall entscheidet bei Todesfällen im Ausland

Wie die Ausführungen zeigen, sind Erbschaften von im Ausland lebenden Deutschen ein weites Feld. Der Einzelfall entscheidet, welche Vorkehrungen der Erblasser zu Lebzeiten tätigen sollte, um geliebte Personen nach seinem Tod nicht ungewollt unangenehm zu überraschen. Gerade bei hohen Vermögenswerten, die sich in der Wahlheimat, im Herkunftsland oder in sonstigen Ländern befinden, ist die rechtzeitige Konsultierung eines Anwalts unerlässlich. Dies frühzeitig zu tun, ist wichtig. So können rechtzeitig vor dem Tod Maßnahmen eingeleitet werden, durch die der Nachlass wie gewünscht verteilt wird und die Steuerschuld der Erben möglichst gering ist. Es kann unter Umständen ratsam sein, noch zu Lebzeiten Immobilien zu verkaufen, um eine etwaige Steuerschuld der Erben im jeweiligen Land zu reduzieren. Ein guter Makler übernimmt diese Aufgabe gewissenhaft und verhilft zum bestmöglichen Verkaufspreis.

Das Erbe im Ausland antreten: Was sagt das Erbrecht?

Ein Erbrecht mit Auslandsbezug stellt immer etwas Besonderes dar. Umso schwieriger kann sich die Sachlage darstellen, wenn die Erben im Ausland leben. Ein authentisches Beispiel verdeutlicht, dass das Erben mit Auslandsbezug gar nicht so kompliziert sein muss:

Erbe antreten in Deutschland, aber im Ausland leben: ein Beispiel

Michael lebt seit zehn Jahren im außereuropäischen Ausland. Er hat nur noch einen Vater und seinen Bruder Christian, die beide in Deutschland leben. Als sein Vater Herr P. stirbt, hinterlässt dieser seinen Söhnen eine kleine Immobilie in München und 2.000 Euro Barvermögen. Ein Testament gab es nicht. Michael ist sich unsicher, ob er das Erbe im Ausland ausschlagen oder das Erbe transferieren soll. Wie sollte dies überhaupt gehen? Kann er ohne Weiteres das Erbe antreten und lohnt sich dies?

Michael fliegt zum Tod des Vaters nach Deutschland. Dort spricht er mit seinem Bruder, der ihm vorhält, sich nicht hinreichend um seinen Vater gekümmert zu haben. Er hätte daher nichts von dem Erbe verdient. Doch was sagt das Erbrecht?

Michael kann im Ausland erben

Michael ist der Sohn von Herrn P. Es gibt kein Testament, weswegen die gesetzliche Erbfolge greift. Nach dieser erben Christian und Michael zu gleichen Teilen. Es ist unerheblich, ob Michael im Ausland lebt oder nicht. Auch ist nicht von Bedeutung, wie intensiv der Kontakt mit dem Vater war. Demnach erbt Michael 50 % der Hauses seines Vaters und 50 % seines Barvermögens. Ein versierter Makler für Immobilien in München teilt ihm mit, dass das kleine Haus im Umland der Metropole lediglich 300.000 Euro wert ist. Da der Vater den Söhnen keine Schulden hinterlassen hat, die das Erbe übersteigen, nimmt Michael das Erbe an. Sein Bruder ebenso. Dieser würde jedoch gern in das Haus einziehen. Da er allerdings nicht über die finanziellen Mittel verfügt, um Michael seinen Erbteil auszuzahlen, kommt es zum Verkauf des Objektes. Diesen übergeben Michael und Christian dem Makler für Immobilien in München, um einen objektiven Verkauf zum bestmöglichen Preis sicherzustellen. Zudem kann Michael so sein Erbe ins Ausland transferieren. Eine Erbschaftsteuer fällt für ihn nicht an, da er unter den gesetzlichen Freibetrag fällt. Das Land, indem er wohnt, hat ein Doppelbesteuerungsabkommen mit Deutschland.

Erbrecht mit Auslandsbezug kann unbeschränkte Steuerpflicht aufheben

Da Michael bereits mehr als fünf Jahre nicht mehr in Deutschland lebt, könnte für ihn die sogenannte „beschränkte Erbschaftssteuerpflicht“ nach § 2 Abs.1 Nr.3 ErbStG greifen. Sie bezieht sich auf in Deutschland gelegenes Vermögen des Erblassers. Jedoch fallen nicht alle Vermögensbestandteile in die beschränkte Erbschaftssteuerpflicht. Welche dies sind, ist im Bewertungsgesetz nach § 121 BewG aufgeführt. Hierin ist festgesetzt, dass Bankguthaben oder teilweise auch Anteile an Kapitalgesellschaften durch die beschränkte Steuerpflicht nicht aufgenommen werden. Für die Vermögenswerte, die unter die beschränkte Steuerpflicht fallen, gibt es einen Freibetrag von nur 2.000 Euro.

Dem Erben ist es jedoch möglich, nach § 2 Abs. 3 ErbStG zu beantragen, mit dem Erwerb in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig zu sein. Tut er dies, erhält er höhere Freibeträge. Damit der Antrag genehmigt werden kann, muss der Erbe oder der Erblasser zum Zeitpunkt des tatsächlichen Erbfalls seinen Wohnsitzen in der EU oder einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraumes haben. Individuell muss bestimmt werden, inwiefern sich das lohnt.

Michael behält das Haus: Was passiert, wenn er stirbt?

Michael und Christian beschließen, dass Haus des Vaters nicht zu verkaufen. Stattdessen erben es beide und Christian zieht in die Immobilie ein. Er zahlt Michael dafür jeden Monat eine kleine Miete. Sie ist für seine ausländische Frau und ihn eine kleine Finanzspritze, mit der sie sich schöne Kleinigkeiten und Urlaube finanzieren. Bricht dieses Nebeneinkommen weg, wenn Michael stirbt? Erhält dann Christian seinen Anteil am Haus in München?

Michael ist im außereuropäischen Ausland mit einer Einheimischen seit vielen Jahren verheiratet. Er möchte sicherstellen, dass sie tatsächlich seinen Anteil an der Immobilie erhält. Das gestaltet sich nicht weiter schwierig. Hierfür setzt Michael ein Testament auf, in dem er alles seiner Ehefrau vermacht. Auch nach deutschem Recht wäre dies machbar, da Brüder und Schwestern nicht zu den Pflichtteilsberechtigten gehören.

Extratipp: Es existiert kein internationales Erbrecht. Stattdessen hat jedes Land seine eigenen Gesetzmäßigkeiten. Zudem gibt es Regelungen nach dem EU-Recht.

Auch Doppelbesteuerungsabkommen sind von Bedeutung. Umso wichtiger ist es, dass ein Erben mit Auslandsbezug gut geplant wird. Wer im Ausland lebt oder im Ausland Immobilien besitzt, sollte sich im Vorfeld umfangreich informieren. Anwälte und Notare mit Erbrecht sind diesbezüglich heranzuziehen, um die optimale Lösung zu finden. Nur so lässt sich sicherstellen, dass die Erben möglichst wenig Erbschaftsteuer zahlen und das Testament tatsächlich wirksam ist.

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Photo by Andrew Butler on Unsplash

Publiziert am 
Dec 13, 2018
 in Kategorie:
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