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as Ehepaar Henning setzte frühzeitig ein gemeinsames Testament auf. In diesem war vermerkt, dass zunächst der überlebende Ehepartner erbt und nach seinem Tod die beiden gemeinsamen Kinder Tom und Julia. Als erstes verstarb die Ehefrau und kurz darauf ihr Sohn. Weitere Jahre später verstarb der Vater selbst.

Nun dachte Julia, dass sie und der Sohn ihres toten Bruders Tom alles erben würden. Umso erstaunter war sie, als ein Testament ihres Vaters auftauchte, in dem er sie und seinen Enkel enterbte. Julia zog vor Gericht. Dort erlebte sie eine kleine Überraschung.

Kinder erben – mit Testament und ohne sowie bei Enterbung

Stirbt ein Bundesbürger, geht sein Vermögen auf einen Erben oder mehrere Erben über. Dies ist nach § 1922 Absatz 1 BGB im Erbrecht zu verankert. Für den Vermögensübergang gibt es grundsätzlich zwei Wege: Der Erblasser hat ein Testament oder einen Erbvertrag verfasst. Dieser ist bindend, weswegen diese Regelung als gewillkürte Erbfolge bezeichnet wird. Existieren weder Erbvertrag noch Testament, wird die Aufteilung des Nachlasses nach der gesetzlichen Erbfolge vorgenommen. Wer Erbe wird, ist in §§ 1924 ff. BGB festgelegt. Diese besagen, dass die Kinder und Enkelkinder nebst dem Ehepartner die direkten Erben des Vermögens sind. Sie profitieren auch von hohen Freibeträgen hinsichtlich der Erbschaftssteuer. Immer wieder wird dieses Thema in der Politik stark diskutiert, da einige Politiker der Meinung sind, dass diese Regelung zur gesellschaftlichen Schere in Deutschland beitragen würde.

Sind die Kinder per Testament enterbt worden, kann ihnen ein Pflichtteil zugeschrieben werden. Doch noch aus anderen Gründen können sie trotz Enterbung erben: Dieser Fall trat bei Familie Henning ein. Das Kammergericht bestimmte, dass Herr Henning seine Tochter Julia nicht enterben konnte. Dies begründete das Gericht nicht mit der Pflichtteilregelung, sondern mit dem gemeinsamen Testament der Eheleute Henning. Das Gericht argumentierte, dass die Ehepartner nur den jeweilig anderen als Ersterben ernannt haben, da sie glaubten, Julia und Tom würden sie beide überleben. Herr Henning hätte somit den früher fixierten gemeinsamen Willen nicht mehr abändern dürfen, indem er seine Tochter enterbt. Julia ist daher 50 % des Nachlasses ihres Vater zugesprochen worden. Aber was passierte mit dem Enkel? Schauen wir uns diesen Sachverhalt im Folgenden separat an.

Wann erben die Kinder der Kinder?

Die Enkelkinder sind direkte Abkömmlinge vom Erblasser, weswegen sie grundsätzlich als Erbberechtigte in Betracht kommen. Existiert kein Testament und tritt die gesetzliche Erbfolge in Kraft, können sie etwas erben. Dies wäre der Fall, wenn der Elternteil bereits verstorben ist, der mit dem Erblasser verwandt gewesen ist. Sollten Kinder und Enkelkinder schon tot sein, können Urenkel etwas erben. Jedoch schließt ein lebendes Kind des Verstorbenen die eigenen Kinder von der gesetzlichen Erbfolge aus.

Im Fall von Herrn Henning gab es ein Testament, welches das Enkelkind enterbte. Das Kammergericht kam diesem Wunsch nach. Es argumentierte, dass eigentlich der Sohn Tom die zweite Hälfte geerbt hätte. Dieser sei aber verstorben und das Ehepaar Henning hatte in ihrem gemeinsamen letzten Willen keine Ersatzerben ernannt. Der Sohn von Tom erbte damit gar nichts.

Erben Kinder immer oder kann dies verhindert werden?

Kinder erben in der Regel immer von ihren Eltern. Die Höhe richtet sich nach den Bestimmungen im Erbvertrag oder Gesetz. Wird die gesetzliche Erbfolge herangezogen, erben alle direkten Abkömmlinge zu gleichen Teilen. Gäbe es drei Kinder, bekäme jeder ein Drittel. Bei vier Kindern würde jedem Kind ein Viertel zustehen usw. Um ein Kind komplett vom Erbe auszuschließen, müssen drastische Gründe vorliegen. Streitigkeiten zählen nicht dazu. Auch Kinder, die jahrelang ihren Vater oder ihre Mutter nicht gesehen haben, können einen Erbschein beantragen.

Was erben die Kinder, wenn es einen Ehepartner gibt?

Wie viel Kinder nach dem Erbrecht erhalten, hängt entscheidend davon ab, ob es noch einen lebenden Ehepartner oder eingetragenen Lebenspartner gibt. § 1931 BGB besagt, dass ein überlebender Ehegatte ein Viertel der Erbschaft neben den Kindern erhält. Sollte beim Paar eine Zugewinngemeinschaft bestehen, dann kann laut § 1931 BGB der gesetzliche Erbteil um ein weiteres Viertel ansteigen. Der Güterstand der Eheleute ist damit ein wichtiges Kriterium bei der Aufteilung des Erbes.

Besonders schwierig ist es, wenn es um Immobilien geht. Beispiel: Ein Ehepartner verstirbt und hinterlässt die gemeinsam genutzte Immobilie in München. Sind Kinder vorhanden, kann es sein, dass sie einen Teil der Immobilie in München erben. Doch der verbleibende Partner erbt auch einen Teil davon und möchte in dem Haus wohnen bleiben. Streitigkeiten sind dann oft vorprogrammiert, die sich beispielsweise durch ein lebenslanges Wohnrecht umgehen lassen. Die beste Möglichkeit wäre jedoch, dass der hinterbliebene Partner die Kinder auszahlt. Ein erfahrener Immobiliengutachter kann den Wert von Immobilien versiert sowie objektiv bestimmen, um die Höhe der Auszahlung festzulegen.

Wie sieht das mit dem Erbrecht für Adoptivkinder aus?

Ob mit oder ohne Testament: Adoptivkinder sind ebenso erbberechtigt wie leibliche Kinder. Dies ist im § 1754 BGB vermerkt. Diese Regelung trifft auf Adoptivkinder, die bei der Adoption minderjährig waren, stets zu. War das Kind bei der Adoption volljährig, kann es eine Abweichung von der Regelung geben. Ein Jurist sollte die Sachlage prüfen.

Streitfall nichteheliche Kinder: Erben sie auch?

In der Praxis gibt es besonders viele Streitfälle, wenn nichteheliche Kinder ihren Anspruch aufs Erbe geltend machen möchten. Oft ist anderen Angehörigen noch nicht einmal bewusst, dass diese existieren. Teilweise findet dies erst ein Erbenermittler heraus. Unabhängig davon, ob die Existenz von nichtehelichen Kindern bekannt war oder nicht, sie sind den ehelichen Kindern komplett gleichgestellt, sofern sie nach dem 01.07.1949 geboren worden sind. Sie haben jedoch nur einen Erbanspruch, wenn der Verwandtschaftsgrad formell festgestellt wurde. Dies ist durch eine Anerkennung seitens des Erblassers oder durch ein Gericht möglich. Sogar noch nach dem Tod kann ein Test angeordnet werden, um den Verwandtschaftsgrad festzustellen.

Ich erbe von meinen Eltern nur Schulden: Kann ich die Erbschaft ausschlagen?

Ist die Erbschaft nur mit finanziellen Verbindlichkeiten verbunden, kann sie ausgeschlagen werden. Auch aus jedem anderen erdenklichen Grund kann ein Erbberechtigter sein Erbe ausschlagen. Er muss sich dafür nicht rechtfertigen oder dies verargumentieren. Wichtig ist jedoch, dass diese Entscheidung zeitnah den zuständigen Behörden mitgeteilt wird. Und ein weiterer Punkt ist hierbei von Bedeutung: Schlagen die Kinder des Erblassers das Erbe aus, geht dieses automatisch an die nächsten Abkömmlinge des Verstorbenen. Dies können die Kinder der Erbberechtigten sein. Sind diese noch minderjährig, müssen ihre Eltern das Erbe für sie ausschlagen. Darüber hinaus kann es sein, dass die Kinder trotz Erbausschlagung für die Beerdigungskosten aufkommen müssen.

Wenn Kinder erben: 5 häufige Irrtümer im Erbrecht

Über das Erbrecht kursieren diverse Gerüchte. Manche von ihnen sind wahr, einige beinhalten ein Fünkchen Wahrheit und andere sind komplett falsch. Hier sind fünf klassische Irrtümer, die oft auftauchen, wenn Kinder erben:

  1. Neben den eigenen Sprösslingen haben die Geschwister einen Anspruch auf den Pflichtteil: Dies stimmt ganz und gar nicht, da nur die nächsten Angehörigen des Erblassers pflichtteilberechtigt sind. Dazu zählen nur Abkömmlinge des Erblassers sowie sein Ehepartner.
  2. Wenn Nachwuchs vorhanden ist, sind Testament und Erbvertrag unnötig: Leider lehrt die Praxis etwas anderes. Oft ist es für eine reibungslose und gerechte Verteilung des Nachlasses in der Familie hilfreich, wenn der Erblasser seinen Willen schriftlich fixiert. Dies kann Erbstreitigkeiten vorbeugen. Nicht grundlos bezeichnen Juristen Erbgemeinschaften als Streitgemeinschaften.
  3. Ein enterbtes Kind erhält gar nichts: Enterben ist ein Wort, was oft missverstanden wird. Kinder des Erblassers haben in der Regel einen Geldanspruch auf einen Pflichtteil. Die Höhe des Pflichtteils beläuft sich auf die Hälfte dessen, was dem Kind nach der gesetzlichen Erbfolge zugestanden hätte. Ausnahmen sind nur in Härtefällen möglich. Diese liegen beispielsweise vor, wenn das Kind nach dem Leben seines Elternteils getrachtet hätte.
  4. Schenkungen werden auf den Pflichtteil angerechnet: Nur wenn der Erblasser eine Anrechnungsbestimmung erlassen hat, können Schenkungen auf den Pflichtteil angerechnet werden. Diese Bestimmung sollte am besten ausdrücklich und schriftlich erfolgen. Zudem muss der enterbte Nachkomme davon gewusst haben. Eine Ausnahme bilden Pflichtteilsergänzungsansprüche. Bei ihnen werden alle Zuwendungen angerechnet.
  5. Dank Erbrecht werden Immobilien, Hausrat, Wertpapiere und andere Vermögenspositionen problemlos aufgeteilt: Es wäre schön, wenn dies so wäre, aber die Praxis zeichnet ein anderes Bild. Grundsätzlich ist zwar eine einverständliche Verteilung des Vermögens möglich, aber häufig genug wird der Nachlass zerschlagen. Dies bedeutet, dass Immobilien verkauft oder gar versteigert werden. Dadurch kann es zu erheblichen finanziellen Einbußen für alle Erben kommen.

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Photo by Charlein Gracia on Unsplash

Publiziert am 
Oct 1, 2018
 in Kategorie:
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