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rbauseinandersetzungen sind die Regel und nicht die Ausnahme. Ganz gleich, ob es „nur“ um ein kleines Grundstück im Umland im Grünen oder um luxuriöse Immobilien in Münchens Premiumlage geht. Eigentlich – so glauben viele Erblasser – würde die Testierfreiheit in Deutschland, das aufwendig formulierte Erbrecht und das Erstellen eines Testaments vor Streitereien innerhalb der Erbengemeinschaft schützen, aber so einfach ist es nicht. Deswegen gibt es den Erbauseinandersetzungsvertrag, der dazu dient, gerecht und stressfrei unter mehreren Erben den Nachlass und das Vermögen aufzuteilen. Der Vertrag dient dazu, Konflikte und Streitigkeiten zwischen den Erben zu vermeiden und eine einvernehmliche Regelung zu treffen.

Was ist ein Erbauseinandersetzungsvertrag?

Der Erbauseinandersetzungsvertrag legt fest, wie der Nachlass aufgeteilt wird, welche Vermögenswerte jedem Erben zufallen und welche Verbindlichkeiten zu berücksichtigen sind. Darüber hinaus kann der Vertrag auch weitere Regelungen enthalten, wie beispielsweise die Zahlung von Ausgleichszahlungen, die Übernahme von Schulden oder die Verteilung von Sachgegenständen.

Beachtenswert ist, dass ein Erbauseinandersetzungsvertrag sowohl zu Lebzeiten des Erblassers als auch nach seinem Tod und damit bei Erbfall abgeschlossen werden kann. Er setzt eine Einigung aller beteiligten Erben voraus und sollte schriftlich erfolgen, um Rechtssicherheit zu garantieren.

Extratipp: Es ist empfehlenswert, bei der Erstellung eines Erbauseinandersetzungsvertrags die Unterstützung eines erfahrenen Anwalts für Erbrecht in Anspruch zu nehmen. Dieser kann die individuellen Bedürfnisse und Interessen der Erben berücksichtigen, die rechtlichen Aspekte des Vertrags erklären und sicherstellen, dass alle erforderlichen Formalitäten eingehalten werden.

Gründe für einen Erbauseinandersetzungsvertrag: Wieso kann er sinnvoll sein?

Eine Erbengemeinschaft muss nicht zwingend einen Erbauseinandersetzungsvertrag aufsetzen. Er kann jedoch Sinn machen. Hier sind ein paar Gründe:

  1. Klarheit und Einvernehmen: Ein Erbauseinandersetzungsvertrag schafft Klarheit und Einvernehmen zwischen den Erben über die Aufteilung des Nachlasses. Dadurch können Streitigkeiten und Konflikte vermieden werden.
  2. Individuelle Bedürfnisse berücksichtigen: Jeder Erbe hat möglicherweise individuelle Vorstellungen oder Bedürfnisse bezüglich des Nachlasses. Durch den Vertrag können diese individuellen Bedürfnisse berücksichtigt werden, indem spezifische Vermögenswerte bestimmten Erben zugeordnet werden.
  3. Vermeidung von Gerichtsverfahren: Ein Erbauseinandersetzungsvertrag kann dazu beitragen, langwierige und kostspielige Gerichtsverfahren zu umgehen. Die Erben können die Aufteilung des Nachlasses untereinander regeln, ohne auf einen Gerichtsentscheid angewiesen zu sein.
  4. Flexibilität: Der Vertrag ermöglicht den Erben, individuelle Vereinbarungen zu treffen, die ihren spezifischen Umständen gerecht werden. Es können beispielsweise Ausgleichszahlungen oder Regelungen zur Übernahme von Verbindlichkeiten vereinbart werden.
  5. Rechtssicherheit: Ein schriftlicher Erbauseinandersetzungsvertrag schafft Rechtssicherheit für alle Beteiligten. Die Vereinbarungen werden verbindlich festgehalten und können im Streitfall als Nachweis dienen.
Achtung: Es ist wichtig zu beachten, dass ein Erbauseinandersetzungsvertrag rechtlich bindend ist und von allen beteiligten Erben unterzeichnet werden muss.

Wie kommt ein Erbauseinandersetzungsvertrag bei vererbten Immobilien zum Einsatz?

Ein Erbauseinandersetzungsvertrag für Immobilien regelt die Aufteilung von Immobilienvermögen zwischen den Erben nach dem Tod einer Person. In einem solchen Vertrag können verschiedene Aspekte der Immobilienaufteilung festgelegt werden. Hier ein paar typische Beispiele:

  • Identifizierung der Immobilien: Der Vertrag stellt klar die betreffenden Immobilien dar - einschließlich Angaben wie Adresse, Grundbuchnummer oder andere relevante Informationen. Das mag wie eine Selbstverständlichkeit klingen, aber in der Praxis kann es diesbezüglich zu Schwierigkeiten kommen. Ein plakatives Beispiel dafür sind ehemalige DDR-Gebiete. Nach dem Mauerfall 1989 gab es immense Unsicherheiten bezüglich der Eigentumsverhältnisse. Die Auflösung der DDR und die Wiedervereinigung führten zu komplexen Herausforderungen im Umgang mit Grundstücken, Immobilien und anderen Vermögenswerten.
  • Aufteilung der Immobilien: Der Vertrag regelt, welcher Erbe welche Immobilie erhält. Es können entweder konkrete Immobilien bestimmten Erben zugeordnet werden oder es kann eine finanzielle Ausgleichszahlung vorgesehen werden, falls die Immobilien nicht gleichmäßig aufgeteilt werden können. In der Praxis geschieht dies häufig, wenn beispielsweise ein Erbe in das Elternhaus einziehen möchte und alleiniger Eigentümer von diesem sein will. Dann erhalten die anderen Erben Ausgleichszahlungen.
  • Berücksichtigung von Verbindlichkeiten: Es wird festgelegt, wie eventuelle bestehende Schulden oder Hypotheken in Bezug auf die Immobilien behandelt werden. Es kann entschieden werden, dass der Erbe, dem eine Immobilie zugewiesen wird, auch die entsprechenden Verbindlichkeiten übernimmt. Dafür würde er dann finanziell entlastet, indem beispielsweise die Ausgleichszahlungen an die Miterben geringer ausfallen.
  • Auszahlungen oder Ausgleichszahlungen: Falls eine Immobilie bestimmten Erben zugewiesen wird, während andere Erben keine Immobilie erhalten, können Ausgleichszahlungen oder andere finanzielle Vereinbarungen getroffen werden, um eine faire Verteilung des Immobilienvermögens zu gewährleisten.
  • Regelungen für gemeinschaftliche Nutzung: Falls mehrere Erben eine Immobilie gemeinsam nutzen möchten, können Vereinbarungen über die Nutzung, Verwaltung und Kostenverteilung getroffen werden.
  • Steuerliche Aspekte: Der Vertrag kann steuerliche Aspekte berücksichtigen und darauf abzielen, Steuervorteile oder steuerliche Nachteile für die beteiligten Erben zu minimieren oder zu optimieren. Es ist ratsam, hierfür einen Steuerberater oder Rechtsanwalt für Erbrecht hinzuzuziehen.

Ist es möglich, einen Erbauseinandersetzungsvertrag anzufechten?

Ja, unter bestimmten Umständen ist das möglich. Es müssen jedoch bestimmte Voraussetzungen geben sein, damit das Anfechten erfolgreich ist. Ein typischer Grund sind Formfehler. Erfüllt der Vertrag nicht die gesetzlichen Formvorschriften, ist er anfechtbar. Auch deshalb es ist unerlässlich, für die Aufsetzung eines Vertrags einen Rechtsbeistand hinzuzuziehen.

Sogenannte Willensmängel sind ebenfalls eine Möglichkeit, einen Erbauseinandersetzungsvertrag erfolgreich anzufechten.

Sie bestehen, wenn einer oder mehrere der Erben zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht in der Lage waren, ihre Willensfreiheit auszuüben - beispielsweise aufgrund von Zwang, Täuschung oder Irrtum. Gleiches greift für eine unangemessene Benachteiligung. Sollte ein Erbe durch den Erbauseinandersetzungsvertrag unverhältnismäßig benachteiligt werden, kann dies ein Grund sein, den Vertrag anzufechten. Gelegentlich geht dieser Anfechtungsgrund mit dem Grund Willensmängel einher. So könnten beispielsweise Erben einen mental eingeschränkten Miterben dazu bringen, einen Erbauseinandersetzungsvertrag zu unterschreiben, durch den er nahezu leer ausgeht.

Die Nichtigkeit des Vertrags kann auch dann vorliegen, wenn der Erbauseinandersetzungsvertrag aufgrund eines allgemeinen Nichtigkeitsgrundes - wie beispielsweise Verstoß gegen die guten Sitten oder gegen gesetzliche Verbote - ungültig ist. Auch dann ist ein Anfechten vermutlich von Erfolg gekrönt.

Brauche ich einen Erbauseinandersetzungsvertrag?

Das hängt stark vom Einzelfall ab. In einigen Fällen kann ein Erbauseinandersetzungsvertrag sinnvoll sein, um eine klare Regelung und Aufteilung des Nachlasses zu gewährleisten und potenzielle Konflikte unter den Erben zu vermeiden. Oft bestehen dann folgende Umstände:

  • Es gibt mehrere Erben: Wenn es mehrere Erben gibt, kann ein Erbauseinandersetzungsvertrag helfen, die Aufteilung des Nachlasses fair und einvernehmlich zu regeln.
  • Komplexer Nachlass: Weist der Nachlass Vermögenswerte wie Immobilien, Unternehmen oder komplexe finanzielle Angelegenheiten auf, kann ein Erbauseinandersetzungsvertrag helfen, die Aufteilung und Verwaltung dieser Vermögenswerte klar zu regeln.
  • Potenzielle Konflikte: Wenn zwischen den Erben bereits Unstimmigkeiten oder Konflikte bestehen oder wenn die Wahrscheinlichkeit solcher Konflikte hoch ist, kann ein Erbauseinandersetzungsvertrag helfen, diese zu vermeiden oder besser zu lösen.
  • Individuelle Bedürfnisse und Interessen: Ein Erbauseinandersetzungsvertrag ermöglicht es den Erben, individuelle Bedürfnisse und Interessen zu berücksichtigen und eine maßgeschneiderte Lösung für die Aufteilung des Nachlasses zu finden.

Komplett schützt ein Erbauseinandersetzungsvertrag nicht vor Streitigkeiten. Gibt es innerhalb der Erbengemeinschaft bereits Missgunst, Misstrauen und andere tiefgehende Unstimmigkeiten, wird auch ein Vertrag daran nicht viel ändern. Er kann dann nur die Erbstreitigkeiten lindern und objektiv für mehr Fairness sorgen.

Manchmal ist der bessere Weg, wenn der künftige Erblasser im Vorfeld das Erbe aufteilt. So kann er beispielsweise seine Immobilien verkaufen und den Erlös unter den Erben aufteilen. Geschieht dies sogar sehr frühzeitig vor seinem Tod, kann bei einem größeren Vermögen die Erbschaftsteuer umgangen werden.

Weitere Informationen und Quellen zum obigen Thema:

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Ein Hinweis in eigener Sache: Die hier angebotenen Informationen dienen der Orientierung und ersetzen keine Rechtsberatung. Bitte wenden Sie sich an einen qualifizierten Anwalt, Fachanwalt oder Notar, um Ihre eigene Situation abzuklären. - Stand August 2023 -

Photo by Jaime Spaniol on Unsplash

Publiziert am 
Aug 31, 2023
 in Kategorie:
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