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treitigkeiten zwischen Erben gehören für Gerichte und Rechtsanwälte zur Tagesordnung. Die zentrale Frage ist zumeist: Wer kriegt was und wie viel? ​Für viele gerichtliche und außergerichtliche Auseinandersetzungen bezüglich des Erbes ist das Heranziehen eines Sachverständigen notwendig.​

Er agiert objektiv und kann mit seinem Fachwissen für Klärung der Angelegenheit sorgen. Gern werden Gutachter auch im Vorfeld herangezogen, damit Erbstreitigkeiten gar nicht erst auftreten. Ein Beispiel: Oma Frieda vererbt Eigentumswohnungen in München. Die Erben kennen sich mit Häusern und Wohnungen nicht aus. Sie wohnen nicht einmal in München und haben sich alle darauf verständigt, die Immobilien zu veräußern. Ein Immobiliengutachter kann nun den Wert der Objekte fachmännisch bestimmen. So weiß jeder der Erben, wie hoch sein Erbteil vermutlich sein wird. Wer für die Gutachterkosten aufkommt und wie hoch diese sind, hängt vor allem von dem Grund der Konsultierung des Gutachters und der Höhe des Wertes des zu begutachtenden Gegenstandes ab.

Was ist ein Gutachter?

Der Begriff Gutachter ist keinerlei geschützte Berufsbezeichnung. Dennoch wird er gern für die Tätigkeit einer Person verwendet, die mit Sachkenntnis und objektiv einen bestimmten Gegenstand bewertet. Dies tut sie nach bestem Wissen und Gewissen und frei von jeglichen Interessen. Im Unterschied zum Gutachter ist der Begriff Sachverständiger in Deutschland geschützt. Er darf tatsächlich nur von offiziell anerkannten Sachverständigen genutzt werden. Im allgemeinen Sprachgebrauch hat sich jedoch die Bezeichnung Gutachter eingebürgert und wird oft auch als Synonym für den Sachverständigen verwendet.

Bei Erbschaften konsultieren die Erben besonders oft Grundstücksgutachter. Grundstücksgutachter sind in der Lage, die Bewertung von bebauten und unbebauten Grundstücken zu übernehmen. Nach § 192 des Baugesetzbuches werden die Mitglieder eines Gutachterausschusses ebenfalls Gutachter genannt. Die Dienste von solch einem Experten können sehr teuer sein. Werden sie in einem Streitfall vor Gericht herangezogen, trägt für gewöhnlich der Verlierer des Prozesses die Gutachterkosten. Trotz der hohen Kosten ist diese Investition im Streitfall sinnvoll. Immerhin akzeptieren Gerichte diese Gutachten und die sich daraus ergebenden Informationen. Darüber hinaus lässt sich solch ein offizielles Grundstücksgutachten auch anderweitig verwenden: Wer beispielsweise Immobilien geerbt hat und einen Kredit aufnehmen möchte, kann das Gutachten bei dem Kreditinstitut einreichen. Die Immobilien können so dem Kreditgeber als Sicherheit dienen und der Kredit wird einfacher herausgegeben.

Was für Gutachten für die Immobilienbewertung gibt es?

Wertgutachten für Immobilien lassen sich grob in zwei Gruppen unterteilen: 1. dem Kurzgutachten und 2. dem Vollgutachten. Je nach dem Grund für die Bewertung sollten Sie das Gutachten auswählen.

Kurzgutachten

Hiermit ist eine sehr einfache Form der Hausbewertung gemeint. Zumeist schreibt der Gutachter dafür rund zwei bis drei Seiten zusammen. Bei dem Gutachten zur Wertermittlung werden trotz der Kürze die vom Gesetz fixierten Wertermittlungsverfahren für klassische Verkehrswertgutachten eingehalten – jedoch mit Einschränkungen. Nicht zum Einsatz kommen Lagepläne, Grundbuchauszüge und Wohnflächenberechnungen. Es ist damit eher eine überschlägige Schätzung. Solch ein Gutachten ist dann sinnvoll, wenn Sie nur etwas zur ersten Orientierung benötigen. Dies ist beispielsweise der Fall, sobald Sie sich wegen einer Erbschaft ohne Rechtsstreit oder Scheidung einen groben Überblick verschaffen möchten. Vielleicht denken Sie darüber nach, ob Sie das Erbe verkaufen möchten oder doch eher selbst in das Haus einziehen.

Das kurze Gutachten kann zudem zur Marktpreiseinschätzung dienen. Mithilfe von ihm überlegen Sie sich, inwiefern sich der Hausverkauf lohnt. Vielleicht können Sie davon zudem ableiten, wie sich der Immobilienwert durch eine Optimierung des Objektes steigern ließe.

Vollgutachten

Wie der Name dieser Immobilienbewertung bereits verrät, ist jetzt der Sachverhalt komplexer. Ein Vollgutachten ist nämlich ein gerichtsfestes Verkehrswertgutachten. Für gewöhnlich wird es benötigt, wenn es um offizielle Anlässe und Rechtsstreitigkeiten geht:

  • Zwangsversteigerung
  • Scheidung
  • Erben streiten sich über das Testament und seinen Wert
  • Überprüfung der angesetzten Schenkungssteuer / Erbschaftssteuer
  • Feststellung des Betriebsvermögens
  • Aufdeckung stiller Reserven bei Betriebsauflösung

Gelegentlich ist solch ein Gutachten auch für den Hausverkauf erforderlich. Es dient dann dem Finanzierungsgeber als Orientierungshilfe bei Immobiliengeschäften. Die Bank kann so die Bonität besser einschätzen. Benötigt die Bank solch ein Gutachten, dann zahlt sie dieses oft selbst.

Hinweis: Gutachten sind im Rahmen von Versicherungsfällen oft unerlässlich. In diesem Fall wird jedoch eine Mängeldokumentation eingefordert. Diese erstellt ein Baugutachter oder ein Immobilien Sachverständiger.

Auch welcher Basis wird das Gutachten angefertigt?

Laut § 194 BauGB soll mit dem Verkehrswert der Immobilienwert offenbart werden – zu dem jeweiligen Zeitpunkt der Wertermittlung. Ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse dürfen nicht berücksichtigt werden. Für die Analyse zieht er folgende Faktoren heran:

  • Den Bodenrichtwert: Er ist die Basis für die Wertanalyse. Mit ihm wird der Wert für einen Quadratmeter unbebauten Boden am jeweiligen Standort angegeben.
  • Baulicher und technischer Zustand des Objektes: Wie sieht es mit den Leitungen, Rohren, Elektroanlagen und der eingesetzten Bausubstanz aus? Sie nehmen einen entscheidenden Einfluss auf den Gebäudewert. Die Außenanlagen fließen ebenfalls in die Berechnung mit ein. Dazu können Carports, Garteninstallationen und Garagen gehören.
  • Exakte Lage des Gebäudes: Bei diesem Faktor liegt der Fokus auf Shoppingmöglichkeiten, Verkehrsinfrastruktur, Himmelsrichtung, Image des Standorts etc. Wie gefragt wäre die Lage bei der Zielgruppe?
  • Energiewert: Wie hoch die jährlichen oder monatlichen Energiekosten der Immobilie sind, ist ebenfalls von Bedeutung. Somit gewinnen Merkmale wie die Dämmung des Daches an Bedeutung. Einen Energieausweis fertigt ein Experte an und ist ein Pflichtdokument.
  • Erschließungsgrad: Ist die Immobilie ans Telefonnetz, Internet, Wasser und Strom angeschlossen? Wenn nicht, ist dies stark wertmindernd.
  • Altlasten am Standort: Sind solche Dinge im Grundbuch eingetragen, mindern sie den Gebäudewert extrem.
  • Derzeitige Marktsituation: Hierfür schaut sich der Gutachter vergleichbare Immobilien in ähnlicher Lage an. Sind Gebäude an dem Standort gerade stark gefragt, steigt auch ihr Preis.

Unterlagen für das Gutachten für die Immobilienwertermittlung

Für ein sorgfältiges Immobiliengutachten sind einige Dokumente relevant. Zu diesen zählen:

  • Grundbuchauszug (aktuell)
  • Auszug aus der Flurkarte
  • eine Wohn- und Nutzflächenberechnung
  • Auszug aus dem Baulastenverzeichnis
  • alle Bauzeichnungen
  • Nachweise über jegliche Modernisierungsarbeiten

Diese Unterlagen stellen die dementsprechenden Behörden und Ämter gegen eine Gebühr zur Verfügung.

Wer trägt die Gutachterkosten bei Auseinandersetzungen einer Erbengemeinschaft?

Häufig gibt es Miterben bei einem Nachlass. Lässt einer der Miterben allein einen Gutachter für eine Immobilienbewertung bestellen und weist darauf die anderen Erben nicht hin, ist dieser in der Regel für die Gutachterkosten zuständig. Rechtlich wird von einer »Kostenpflicht im Außenverhältnis« gesprochen. Kurzum: Der Sachverständige erhält von dem Gutachtenauftraggeber seine Bezahlung. Es kann sein, dass der Erbe sich vorab mit anderen Erben abgesprochen hat. Haben die einer Konsultierung des Gutachters zugestimmt, kann es sein, dass er im Innenverhältnis nicht der einzige Schuldner ist. Anteilig müssten sie dann die Kosten für den Gutachter übernehmen.

Wer trägt die Gutachterkosten bei Teilungsversteigerungen?

Können sich die Erben über die Handhabung einer Immobilie im Erbe nicht einigen, tritt der ungünstigste aller Fälle ein: die Teilungsversteigerung. Die oben im Text erwähnten Immobilien in München werden nun versteigert und der Erlös an die Erben zu rechtmäßigen Teilen übergeben. Zumeist liegt der Verkaufspreis durch Teilungsversteigerung unter dem Marktwert. Der Antragsteller der Versteigerung übernimmt zunächst die vom Versteigerungsgericht angeforderten Kostenvorschüsse für ein Sachverständigengutachten. Bei einer erfolgreichen Versteigerung lassen sich die Gebühren für das Gutachten im Rahmen des Teilungsplans vom Versteigerungsgericht unter der Position »Gerichtskosten« anführen.

Wer trägt die Gutachterkosten bei Pflichtteilsrecht?

In § 2314 Abs. 1 Satz 2 BGB ist der Wertermittlungsanspruch geregelt. Dies bedeutet: Der Pflichtteilsberechtigte kann von dem Erben verlangen, ein Immobiliengutachten zu präsentieren. § 2314 Abs. 2 BGB sagt deutlich aus, dass die Kosten dafür aus dem Erbe zu entrichten sind. Die Gutachterkosten sind in diesem Fall daher Nachlassverbindlichkeiten. An diesen ist der Pflichtteilsberechtigte nur mit seiner Pflichtteilsquote beteiligt.

Wie teuer ist eine professionelle Immobilienbewertung?

Hierauf gibt es keine pauschale Antwort. Wertgutachten über Immobilien, die einem Gerichtsverfahren standhalten sollen, sind nicht selten 30 Seiten lang. Sie enthalten eine ausführliche Begründung des Sachverständigen, warum er zu welchem Ergebnis kam. Steht keine Gerichtsverhandlung an, sondern geht es nur um eine Einschätzung des Wertes für einen späteren Verkauf, reicht oft auch ein Kurzgutachten aus. Dies ist rund drei Seiten lang und ist für deutlich weniger Geld erhältlich.

Seit 2009 gibt es keine Einheitspreise für die Honorare von Immobiliengutachtern. Stattdessen sind sie frei verhandelbar. Eine gute Orientierung bieten allerdings die Honorartabellen der Architekten und Ingenieure. Wie teuer das Gutachten ist, hängt letztlich entscheidend von der gewünschten Ausführlichkeit und dem Wert des Objektes ab.

Immobilien geerbt: Ist ein professionelles Wertgutachten unerlässlich?

Die Immobilienbewertung nimmt einen hohen Stellenwert ein, wenn Häuser, Grundstücke oder Wohnungen zum Nachlass gehören. Wie viel die Immobilie Wert ist, ist für die Bestimmung des Erbteils eines jeden Miterben entscheidend. Darüber hinaus hilft sie bei Ermittlung des Angebotspreises im Falle eines Verkaufes. Viele Erben vernachlässigen eine Immobilienwertermittlung, obgleich diese für Klarheit sorgt. Grob den Wert zu schätzen, kann negative Konsequenzen haben. Für Laien ist es schwer, den Immobilienwert zu errechnen. Es gibt dafür unterschiedliche Verfahren, die je nach Art des Objektes Anwendung finden. Zudem ist eine umfangreiche Marktkenntnis vor Ort wichtig. Auch eine Begehung des Hauses ist unerlässlich. Wer beispielsweise Immobilien in München erbt, sollte unbedingt einen Fachmann in München konsultieren. Dieser bezieht seine Ortskenntnisse in die Kalkulation ebenso mit ein wie die Objektausstattung, den Zustand und das Image des Standortes. Baujahr, Wohnflächengröße und Grundstücksgröße sind ebenfalls von großer Bedeutung. Mit einem professionellen Immobiliengutachten in der Hand können die Erben besser planen, welcher Schritt als nächstes eingeleitet werden soll.

Tipp: Sofern kein Gerichtsverfahren ansteht, muss die Immobilienbewertung nicht zwingend von einem offiziellen Sachverständigen kommen. Ein kompetenter Makler kann dies auch übernehmen. Wer sogar schon weiß, dass er das Objekt im Anschluss verkaufen möchte, kann den Makler zugleich mit dem Objektverkauf beauftragen. Häufig sind die Immobilienbewertungen dann sogar kostenfrei. Der Makler nimmt den Erben viel Arbeit ab und kann oft einen besseren Verkaufspreis erzielen als die Erben selbst.

Immobilien für die Steuer richtig bewerten

Es existiert noch ein weiterer Aspekt, warum eine professionelle Immobilienbewertung im Zuge einer Erbschaft so wichtig ist. So gibt es in Deutschland die Erbschaftsteuer. Dies heißt, dass die Erben ihren Teil am Nachlass mitunter versteuern müssen. Ob eine Steuer zu zahlen ist, hängt entscheidend vom Verwandtschaftsgrad zum Erblasser und von der Höhe des Erbteils ab. Die juristische Basis für diese Bestimmungen ist im Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz vermerkt, welches das Kürzel ErbStG trägt. Bei Geldmitteln und Wertpapieren fällt es leicht, den Wert zu ermitteln und dem Finanzamt mitzuteilen. Bei Immobilien sieht die Sachlage schon anders aus, weswegen Erben eine Immobilienbewertung durchführen lassen sollten. Immerhin muss dem Fiskus nicht der einstige Kaufpreis angegeben werden, sondern der derzeitige Wert des Objektes. Einen bewusst zu niedrigen Wert sollten Erben nicht angeben, denn das Finanzamt überprüft die Angaben. Sie selbst setzen übrigens zumeist einen zu hohen Immobilienwert an, was dazu führen kann, dass die Erben eine höhere Erbschaftsteuer zahlen müssen. Wer jedoch ein Wertgutachten über die Immobilien anfertigen lässt, der kann der Steuer nachweisen, dass er sorgfältig vorgegangen ist. Den dort ermittelten Wert nimmt das Finanzamt in der Regel an.

Publiziert am 
Dec 28, 2018
 in Kategorie:
Pflichten

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